Anfang September erscheint mein dritter Erzählband Vom Miteinander – was aber nicht bedeutet, dass die anderen beiden Erzählbände in Regalen verstauben. Ausgerechnet Von Verwandlungen (erschienen im Frühjahr 2017) entfaltet in diesem Jahr eine erstaunliche Eigendynamik. Da ich das Buch auf meinem Blog noch gar nicht vorgestellt habe (das Blog gibt`s erst seit 2018), möchte ich das nun nachholen.
Es begab sich. Und dazu kam 2015 das Bedürfnis, kürzere Texte zu schreiben. Experimente zu wagen, mich dem Erfinden hinzugeben. in Burn-out kam mir zu Hilfe. Wer hätte das gedacht. Das mich zu der Erzählung Undine nötigte. (Übrigens auch zu einer Verlagsgründung und der Kündigung meines Jobs – aber dies nur nebenbei.) Undine war eigentlich als Einzelveröffentlichung geplant, die Erzählung ist relativ umfangreich. (Das Burn-out verbrannte ordentlich Papier.) Bei zwei Verlagen fragte ich an. Zu mehr hatte ich weder Kraft noch Lust. Als ich von beiden nach 2 Monaten nichts gehört hatte, hörte ich auf mich selbst.
Nach Undine entstand Im Café. (Streng genommen keine Erzählung, sondern eine Kurzgeschichte.) Der Text, ich formuliere es mal drastisch: stellte einen Wendepunkt meines Schreibens dar. Ich komme ja, wenn ich ganz weit zurück gehe, vom Dramatischen, von der Lyrik her – auch von der Erzählung. Plötzlich erlaubte ich mir zum ersten Mal, mich nicht mehr an überall verlangten Romanen abzumühen (ein paar liegen in Schubladen – und liegen da auch gut), sondern mich zu befreien und Texte nach meinem Geschmack zu gestalten, fern gängiger Richtlinien, was hieß: alle mir lieben Stilmittel in einen (kürzeren) Text zu packen.
Und plötzlich verstand ich: Das ist mein Stil. Der Anfang des Fadens war gefunden. Darum haben meine Theaterstücke so wenig Personen, sind meine Romane so lyrisch, ist meine Lyrik so lang. Darum all die Jahre dieser Stilpluralismus (der ja, ganz gleich auf welchem Gebiet, in der Regel nicht als kreative Leistung anerkannt wird, sondern als Unentschiedenheit und Nicht-Können abgetan). Auch wurde mir klar, dass solche literarischen Experimente in der Konsequenz ein Selbst-Verlegen erfordern, weil kein Lektorat sie gestatten würde. Zumindest zu Beginn. Und es braucht uneingeschränkte künstlerische Freiheit, um auf neuem Terrain zu forschen.
Von Verwandlungen umfasst 7 Texte. Neben Im Café (vergebliche Liebe, the magic of coffee & das Durchbrechen der vierten Wand) und Undine (die Intensität einer ozeantiefen Liebe tötet) sind dies:
- Brücken (Protagonist reflektiert über den Selbstmord eines Jugendfreunds)
- Hater (ein Hasskommentare-Schreiber wütet im Internet)
- Sprengkörper (Attentätertum aus Sicht eines Kindes)
- Von Bäumen (eine alte, vom Krieg traumatisierte Frau verwandelt sich am Ende ihres Lebens in einen Baum)
- Avatare (ein Schriftsteller versucht es auf Geheiß seiner Lektorin mit Science-Fiction, regt sich über die Buchbranche auf und schlüpft gezwungenermaßen in die Rolle eines Mädchens)
Den Hater mochte ich, wie viele Leser*innen, so gerne, dass mittlerweile ein zweiter und ein dritter Teil existieren (jeweils in den beiden Folge-Erzählbänden) – insbesondere Teil II habe ich letztes Jahr oft bei Berliner Lesereihen vorgelesen (auch weil queere Literatur).
Von Bäumen entdeckte die Theatermacherin Sigrun Fritsch des international agierenden Aktionstheaters PAN.OPTIKUM als Grundlage für ihre Inszenierung beim 25-jährigen Jubiläum des Landschaftsparks Duisburg
(Screenshot: Hompepage des Aktionstheaters Pan.Optikum, Fotos: Jennifer Rohrbacher; Screenshot: FB-Seite Theater PAN.OPTIKUM; Fotos: Andy Althoff)
Im Café ist bis heute eine meiner Lieblingsgeschichten. Was sicherlich mit an der persönlichen Bedeutung des Textes für mich liegt. Die Geschichte hat sich darüber hinaus als erstaunlich massentauglich erwiesen. Egal ob jung, alt, medium, egal welches Geschlecht oder in welcher Tagesverfassung – alle mögen diesen Text. (Ich habe ihn mittlerweile so oft vorgelesen, dass ich ihn fast auswendig kann ;-)).
Manche Texte eignen sich eher zum stillen Lesen. Dachte ich wenigstens. Einen Auszug aus Avatare habe ich darum erstmalig im Rahmen von Literatur auf der Parkbank vorgelesen. Zur Veranstaltung findet sich ein Video auf dem YouTube-Kanal des VHV-Verlags. Ebenso diese Aufnahme – und übrigens auch eine Aufnahme von Im Café:
Von Verwandlungen ist also kein Papiergeschnipsel von gestern, sondern dabei, sich selbständig zu machen. Dafür wünsche ich natürlich viel Erfolg!
Mehr zum Buch findet sich auf der Seite des VHV-Verlags.
Oder auf Lovelybooks.
Oder auch auf Literaturcafé.de
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