Während der Schwangerschaft mit meiner Tochter 2020 habe ich angefangen, kurze lyrische Sequenzen zur Mutterschaft zu notieren. Diese lyrischen Notizen – deren Form sich auch der raren Schreibzeit als (Neu-)Mutter verdankt – habe ich nach der Geburt beibehalten und bis heute fortgesetzt. Beim Schreiben hat sich eine grundsätzliche Dreistimmigkeit des Textes herausgebildet. Die drei Stimmen sind: Frau, Mutter und Eine. Die Frau spricht über Menstruation und erstes Mal, über das Frauwerden und Rollenbilder; die Mutter – klar – über Geburt und Mutterschaft, aber auch über das Tochtersein und Vergänglichkeit, über alte Geschlechter-Narrative und Pornographie; Eine spricht über Schwangerschaftsabbruch, Gewalt gegen Frauen und toxische Männlichkeit, über Frauenbewegung und Selbstermächtigung. Die Themen sind aber nicht streng verteilt, sondern mischen sich teils, was auf thematischen Überschneidungen oder einem Anknüpfen gründet, außerdem im Schreibprozess, diesem Stückwerk, wurzelt. So ist vielleicht vielmehr von einer „Textcollage“ zu sprechen als von einem eindeutig dreistimmigen Text. Zumal sich in die Dreistimmigkeit an zwei Stellen frech zwei weitere, ergänzende Stimmen einmischen: die einer Hebamme und die „einer anderen“. Viel wichtiger als die konkrete Einordung des Textes in irgendeine ohnehin öde Genre-Schublade ist und bleibt das Thema: Frausein – was ist das?
Auch der Titel „Der Frau“ stellt diese Frage. Er ist mehrdeutig lesbar. Zum einen als Widmung: Der Frau. Liest man ihn so, liest er sich als Dativ – der die Frau allerdings auch zum Objekt macht, in einem erweiterten Kontext nur so lesbar machen würde. Auch ein Genitiv ist denkbar – womit Besitzverhältnisse und Zugehörigkeiten anklingen würden. Zum Subjekt würde die Frau nur durch den korrekten direkten Artikel, der, lesen wir ihn hier einfach als korrekt, Fragen nach Geschlechtsidentität und Rollenbildern aufwirft. Alle Aspekte des Titels sind relevant.
Über einen Zeitraum von etwas mehr als eineinhalb Jahren ist „Der Frau“ gewachsen. Organisch. Hat darum die Gestalt eines Sprachgewächses. Je nachdem, wo die Erfahrung während dieser Zeit mehr Licht zuließ oder wollte, hat es intensiver Triebe entwickelt oder genügsamer. Herausgekommen ist etwas Vielverzweigtes. Für mich als Schreibende darum auch eine Art Bestandsaufnahme und ich hoffe auf Zeit, mich so manchem Thema erneut nähern zu können.
Benannt habe ich „Der Frau“ schließlich schlicht als „Text“. Das ist auch auf die drei weiteren Texte (lyrische Prosa) zurückzuführen, die „Der Frau“ in der im März erscheinenden Publikation begleiten werden. Sie sind alle wesentlich kürzer als das titelgebende Herzstück und ergänzen das Thema. „Edelweißmän“ persifliert toxische Männlichkeit; „Wega“ erzählt vom Schreiben selbst; „Elektrische Impulse“ setzt sich mit Identität und Vergänglichkeit auseinander. „Der Frau“ könnte als Publikation auch für sich stehen. Aber ich mag es immer ganz gern, mit erweiternden Texträumen zu experimentieren, die auf ihre Weise Wechselwirkungen entfalten, Angesprochenes Aufgebrochenes weitererzählen. So wird ein Buch noch mehr zu einem eigenen kleinen Kosmos.